Mit neugierigen Augen und einer verträumten Seele.

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Projekt

Luca Viapiana erweist Kalabrien mit seinen vierzig stark empfundenen Werken große Hochachtung, komponiert eine lebhaft fließende Reihe mit der Vielseitigkeit eines illustrierten Kartenstoßes, und interpretiert durch Anteilnahme mit viel Stil eine glänzende Portion Welt und sein Leute.

Die bearbeiteten Themen binden und ergänzen sich in einem echten Querschnitt der nicht auf eine vorgefertigte Identität verweist, sondern auf eine Dokumentation des menschlichen Erbguts, der Eigentümlichkeit und kleinen Gesten, in denen jeder ein Stück von sich selbst und dem eigenen Leben finden kann. Die Illustrationen resultieren allseits als verwendbar, dank einer starken, ikonographischen Charakterisierung, die den Abbildungen Unverzüglichkeit und Intensität verleihen.

Durch die Ergebnisse einer gewissenhaft philologischen Arbeit ist jedes Werk mit einem Informationstext ausgestattet. Dieses, an der kalabresischen Kultur innerlich gebundene, Projekt, wächst mit dem Vorsatz sich mit demjenigen der in diesem Land lebt, mit demjenigen der es noch nicht kennt und mit demjenigen der tausende von Kilometer weit weg ist und es im Herzen trägt, zu konfrontieren. Das fröhliche, farbenfreudige Kalabrien, voller Schätze und Geschichten ist, wie seine Kinder, auf allen Kontinenten verstreut. Es will mit neugierigen Augen und einer verträumten Seele durch die Welt reisen.

Eine pulsierende Kalabresität.

Distribuzione sul territorioDistribuzione sul territorio

Der Aktivität des Zeichnens kommt eine lange Studie und philologische Analyse der territorialen Realitäten zuvor, mit der Absicht die Themen von größter und bedeutendster Intensität und Klarheit herauszufinden, im Stande die pulsierende Kalabresität zu offenbaren.

1. CAPO COLONNA

Das felsige Vorgebirge, westlich am Eingang des tarentinischen Meerbusens ist der östlichste Punkt Kalabriens, wenige Kilometer südöstlich von Crotone gelegen, dessen antiker griechischer Name Lakistos, beziehungsweise Lacinium war. Auf dem Kap, buchstäblich ins Meer abfallendem Felsen, befand sich das der Göttin Hera Lakinia geweihte Hauptheiligtum. Hera Lakinia, auch Dame des Olympus genannt, galt als göttliche Beschützerin der weiblichen Fruchtbarkeit und Gebärfähigkeit sowie auch den grünen Weiden. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wurde eine griechische, beeindruckende Tempelstelle erbaut, diese wurde von 48 dorische Säulen, jede einzelne 8 Meter hoch, gehalten. Es bleibt heute nur noch eine Säule, schön in ihrer Beharrlichkeit, die jeden Seefahrer und Wanderer entwaffnend an die Vergänglichkeit jeder Andacht erinnert.

2. I BRONZI (Bronzestatuen von Riace)

Die legendären Statuen aus Bronze wurden 1972 als Gabe für die Welt aus den Gewässern von Riace (RC) gewonnen. Datierbar 5. Jahrhundert v. Chr., aus den Meeren der Magna Graecia, ist diese duale männliche Ikone ein Beweis für die künstlerische Meisterhand des Schöpfers aus der klassischen Epoche. Die Plastizität ihrer Pose entspringt dem Chiasmus. Die chiastische Haltung ist eine Pose, in der das Gewicht des Körpers hauptsächlich auf einem Bein ruht, der entgegengesetzte Arm entspricht ebenfalls einer Bewegung. Somit wird das Gleichgewicht der Skulptur hervorgehoben. Harmonievoll, ruhig und gelassen, überschwänglich und jedoch schüchtern, auch wenn diese freundlichen Krieger eine stark ausgeprägte Muskulatur besitzen, verweist ihr zarter, ewiger Blick auf eine metaphysische Dimension.

3. LE CASTELLA

Die Festung aus tausend und einer Nacht, eingefasst im ionischen Meer, beherrscht die Bucht von Isola Capo Rizzuto in der Provinz von Crotone. Das erhabene, majestätische Denkmal, welches Leid für die Korsaren und Freude für die Händler war, diente für Urzeiten als Vorposten der Hoffnung. Die Hochburg ist auf 400 v. Chr. zurück zu führen und hat im Laufe der Geschichte die Magna Graecia, die Herrschaft der Türken und die Aragonesen miterlebt. Deren Prunk dominierte die architektonischen Bauphasen, die an der jetzigen Hochburg noch deutlich zu erkennen sind. Es wird erzählt, dass die Insel der Calypso, die durch den Dichter Homer in seiner Odyssee beschrieben wird, in der Nähe situiert war, in dem kristallklaren Blau dieser Ufer, dessen endloser Zauber im Namen Le Castella lebt, welcher romantischerweise mit ungewöhnlichen Grammatikregeln in das Plurale dekliniert wird.

4. LA TARANTELLA (Die Tarantella)

Traditioneller Volkstanz in Verbindung mit den Festtagen. Die kalabresische Tarantella lässt Schritte hervor heben die aus hellenistischem Ursprung stammen und unterscheidet sich dadurch von anderen südländischen Tanztechniken, oft in Verbindung mit praktischen Übungen aus dem Exorzismus. Die Rota ist ein Kreis, welcher von den Tänzern gebildet wird und in dem die Paare nach gezielter Anordnung des Tanzlehrers tanzen. In diesem Gemenge inszeniert die Tarantella das kokette Umwerben und bringt die klassischen, griechischen Stilmerkmale hervor. Zwei Männer aus unterschiedlichen Stadtvierteln treten bei dem Tanz gegeneinander an, man nimmt an einem wahrhaften Duell teil. Der Hintergrund der Illustration stellt die berühmte Brücke von Catanzaro dar. Die gewagte Betonstruktur wurde Mitte 20 Jahrhunderts von dem Ingenieur Riccardo Morandi entworfen.

5. LA CITTA‘ VECCHIA (Die Altstadt)

Die mächtigen Mauern der Altstadt von Cosenza, sondern Poesie ab. Verletzt und auf sich selbst überlassen, blüht die Wohnsiedlung noch vor Stolz. Die wertvolle Architektur der Bruttier erzählt von dem Gipfel der Kultiviertheit, welche zum 4. Jahrhundert v. Chr. zurück zu führen ist und jeden Reisenden, ganz gleich welcher Epoche und Herkunft, fasziniert. Von dem Schloss Svevo dominiert, beherbergt der Hügel den Dom, der von der UNESCO als Friedenszeuge definiert wird sowie das Rendano Theater, Bonboniere des 19. Jahrhunderts nach klassizistischer Stilart. Entzückt von diesen Örtlichkeiten, schreibt der Schriftsteller George Gissing 1987, dass es bei jedem Schritt etwas zu bewundern und staunen gibt. Aus diesem verwinkelten Labyrinth stößt man auf herrschaftliche Klöster und Denkmäler, Plätze und Paläste; auf einigen Balkonen kann man Wäsche an der Leine im Wind erblicken, wie Lebensspuren als Flaggen der Widerstandsfähigkeit.

6. IL LUNGOMARE (Die Strandpromenade)

Die zauberhafte Promenade von Reggio Calabria, in der sich, auf der Strecke verstreut, Mehrfamilienhäuser nach Liberty Art, Skulpturen und botanische Gärten befinden, die die Bezeichnung schönster Kilometer Italiens rühmt. Die Schönheit sprießt oft durch den größten Schmerz, wie für dieses Werk. Die aufblühende Realisierung begann mit einem vorgeschriebenen Stadtbauplan im Jahre 1785, aufgrund eines Erdbebens der die Stadt der Meeresenge zerstörte. Wenn man im Schatten der Ficus Monumentale steht und unter klarem Himmel das gemalte Profil des Ätnas beobachtet, kann es durchaus geschehen die Fata Morgana zu genießen. Dieses optische Trugbild, das einem nur an der kalabresischen Küste gewährt wird, lässt das im Wasser gespiegelte Sizilien hautnah erscheinen.

7. IL NON FINITO (Das nicht Fertige)

Es ist eine perverse Liebe, die Kalabrien an das Beton bindet. Die unvollendeten Bauten sind seit mehr als ein halbes Jahrhundert eine von den Menschen am meist verbreiteten Spuren auf dem Territorium und haben zwischenzeitlich einen wahrhaften zeitgenössischen Architekturstil geprägt. Aus kargen, teilfertigen Formen kommen Eisenadern hervor. Diese zeichnen Säulen in den Himmel die nie sein werden: sei es Wohnhäuser für die eigenen Kinder die weit weg wohnen und nie zurück kehren, oder sperrige, stillschweigende Ruinen und Überreste, Müll durch schlechte Politik; diese bulimische Bauten, charakteristisch und entwaffnend, erzählen und brandmarken die missachteten Erwartungen eines Volkes.

8. IL CODEX PURPUREUS

Das wichtigste und Best aufbewahrte biblisches Dokument der Christenheit. Wahrscheinlich in Syrien um 550 realisiert, dieses Meisterwerk von einem Schreiber niedergelegt, erreichte zufälligerweise Rossano (CS) im 8. Jahrhundert, von Mönchen auf der Flucht aus Byzanz, Hauptstadt des östlichen römischen Imperiums wo der Eintritt des Ikonoklasmus den Kult der Bildnisse verboten hat. Der Codex Purpureus Rossanensis ist ein Manuskript mit Unzialschrift, auf 188 Pergamentblätter in purpurrot eingetaucht, ein Pigment zum ausschließlichen Gebrauch für die Adelsfamilie. Das Manuskript beinhaltet ein griechisch geschriebenes Evangeliar, verziert mit 14 Buchmalereien und Schriftwerke in Gold und Silber. Wird 2015 von der UNESCO zum Weltdokumenterbe erklärt.

9. I VATTIENTI (Die Schlagenden)

An jedem Karsamstag wird auf den Straßen von Nocera Terinese (CZ) seit Jahrhunderten das Ritual der vattienti (Schlagenden) zelebriert. Die Gemeinde begibt sich in schwarzen Tuniken auf die Straßen und peitscht bzw. geißelt sich auf Grund eines Gelübdes (ex voto); dies erfolgt mit einer Korkscheibe (cardo) versehen mit 13 Glassplittern ( lanze), sie symbolisieren Christus und die 12 Aposteln. Die Peitschenden hinterlassen auf Häuser und Kirchen die Rosata, ein Abdruck des Blutes als Symbol für Glück und Wohlwollen. Gefolgt sind sie von dem acciomu, ein kleiner, in Rot gekleideter Junge, dessen unverdorbene Reinheit die Erlösung aller Sünden verspricht. Der beißende Geruch des Blutes, gemischt mit dem des Weines, welches zur Wunddesinfektion dient, umhüllt die Gassen und Piazze eines überfüllten Dorfes von Gläubigern, Schaulustige und Anthropologen. Herbeigekommen aus ganz Europa, sind sie aufmerksame Zeugen eines innigen Gebrauchs, heilig und profan, noch heute umstritten und bekämpft.

10. IL MAIALE (Das Schwein)

Zu Beginn des Jahres wird die blutige Schweineschlachtung auf der ruhigen, wiederauflebenden Landschaft durchgeführt, seit undenklichen Zeiten ein wohlgesinntes, blutiges Ritual. Hier zu Lande Mattazione del Maiale (Schweineschlachtung) genannt, dessen Ausdruck von Maia stammt, griechische und römische Göttin der Landwirtschaft, ihr galt, anlässlich der Ernte die Gabe des Schweinefleisches. Im Laufe des Jahres wird das geliebte Schwein mit großer Sorgfalt ernährt: dieses dreckige Wesen, welches grunzt, verschlingt und austritt ist ein Versprechen für gesamte Familien. Nun wird das undankbare Schicksal des Viehs vollbracht und dessen herzzerreißende Schreie gehen in eine plötzliche Ruhe über. Mühevoll und fleißig, umgeben von Gerüchen, geht man an die respektvolle Arbeit, die in eine zunehmende Geräuschkulisse eines Festtages einhergeht.

11. ‘A VARIA (Die Varia)

Die Varia von Palmi (RC) ist das Fest, welches am letzten Sonntag im August, zu Ehren der Maria Santissima della Sacra Lettera (Jungfrau Maria vom heiligen Brief) und Schutzpatronin der Stadt, zelebriert wird. Sie wird 2013 in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen. Die Varia, aus dem der Name der gesamten Festivität stammt, ist eine riesige, tischförmige Konstruktion dessen Aufbau eine Höhe von 16 Metern beträgt und wird auf den Schultern von 200 Trägern (mbuttaturi) gehalten. Auf Ihr befinden sich festlich gestimmte Menschen jeder Altersgruppe, die Aposteln und Engeln darstellen. Unter ihnen ein unschuldiges, kleines Mädchen mit Engelsflügeln (Animella) als gutes Omen, die von dem Heiligen Vater (Padreterno) gestützt wird. Diese Herausforderung und dieses Gleichgewichtsspiel, sollen das Universum und die Aufnahme Marias in den Himmel darstellen.

12. L’OSPITE (Der Gast)

Die sprichwörtliche kalabresische Gastfreundlichkeit stammt aus Jahrtausend alten Gebräuchen: die Xenia (griechisches Wort für „die Gastfreundliche“) war ein Ritual, welches, basierend auf gegenseitigem Respekt zwischen Gast und Gastgeber, voraussah dem Gast ein Geschenk zu übergeben, um den Abschied zu besiegeln. Die Griechen dachten, dass in jedem Fremden auf der Durchreise, sei es ein reicher Händler oder ein Bettler, ein verkleideter Gott stecken könnte, der die Absicht hat, die Wirkungskraft ihres Empfangs auf die Probe zu stellen. Wer an einer kalabresischen Tür klopft, geht immer die großartige Gefahr ein, mit Trinksprüchen und Köstlichkeiten überhäuft zu werden, wie nach Vestalin (römische Priesterin) Tradition, Göttin der Kochkünste, die für Zeus Zuwendung zu allem bereit ist.

13. ‚A CAPUTOSTA (Der Sturkopf)

Die sturköpfige Hartnäckigkeit ist allgemein als Charakterzug der Kalabresen bekannt. Manchmal äußert er sich eigensinnig, gebunden an eine spärlich geistige Beweglichkeit, oder an eine vorgefasste Meinung, durch Misstrauen gegenüber anderen Ratschlägen. Viel öfter verbirgt sich hinter dieser steifen und scheinbar misstrauischen Haltung eine bewundernswerte Tugendhafte und rührende Ausdauer, geprägt im DNA eines Volkes gewöhnt zu kämpfen.

14. LE COMARI (Die Tratschtanten)

Die Bedeutung madrine di battesimo (Patentante), wird ausgedehnt und durch den Begriff comari ersetzt. Man bezieht sich auf die beruhigenden Damen aus den Stadtvierteln, die überall ihre Nase reinstecken. Durch ihre mütterliche Art entwickelt man ein vertrauenswürdiges und komplizenhaftes Verhältnis. Sehr beschäftigt in ihrer Hausarbeit oder niederhockend auf einer Bank kann man sie sich bildlich als romantische Literaturfiguren, die die Kunst von Klatsch und Tratsch (larte del pettegolezzo) lieben, vorstellen. Der Herkunftsbegriff von pettegolezzo leitet sich von pithecus (Affe) ab, welcher eine kuriose Parallelität des krankhaft übertriebenen Austauschs, von zugeflüsterten  Geheimnissen mit dem Grooming darstellt, besser gesagt  das Gegenseitige Entlausen, in dem die Primaten das Gruppenverhältnis stärken. Die gefällige Anteilnahme an das Gemunkel, wenn auch auf diese Art und Weise, macht im Übrigen eine stabile und friedliebende Gemeinschaft aus.

15. I CARBONAI (Die Köhler)

Die Wächter, am Rande von rauchenden Altarstätten, halten in Kalabrien die letzten Köhler noch durch. Seit tausenden von Jahren üben sie das von den Phöniziern stammende Handwerk aus. Der Begriff carbone (Kohle) kommt aus dem griechischen karpho, was genau gesagt trocknen heißt. Die Verkohlung sieht in der Tat einen langsamen und natürlichen Prozess der Verbrennung vor, dessen Pflege Geschicklichkeit, Hingabe und viel, viel Arbeit benötigt. Die Wälder von Serra San Bruno (VV) sind heute noch mit scarazzi (rätselhafte Holzhaufen mit nassem Heu und Erde) bedeckt. Dieser traditionelle Produktionsvorgang bringt es mit sich, dass im Schichtwechsel die ganze Familie mit einbezogen ist, und erfordert 30 Tage Berufung und viel Eifer.

16. L’EMIGRANTE (Der Emigrant)

Man geht davon aus, dass aus Kalabrien, die heute zwei Millionen Einwohner zählt, seit der Gründung des italienischen Staates gut drei Millionen ausgewandert sind. Argentinien, Canada, Deutschland (Gastarbeiter) sind nur einige der attraktiven Pole des nie zuvor dagewesenen Exodus, welcher für immer die Seele des Landes verändert hat und dessen Kindern neue Welten offenbarte. Das gleiche Herbeisehnen von den Migranten, die heute in Kalabrien stranden und den Frieden suchen. Vom argentinischen Präsident Macri zum Nobelpreisträger für die Medizin Dulbecco, sind es viele Kalabresen, die meisterhaft ihren Wurzeln große Ehre erweisen und mit vielen Tränen und großes Talent Rassismus und Vorurteile zerbröckelt haben. Heute, so wie damals, bewaffnet mit Tablet oder einen Hartkartonkoffer, sind sie alle Kinder des Heißhungers oder einem anderen Krieg. Sie suchen Alle einen neuen Anfang.

17. IL PACCO (Das Vorratspaket)

Wenn die Speisekammer leer ist und im Kühlschrank das Echo hallt, ist die Freude der Türklingel, die das Ankommen des legendären Vorratspaket ankündigt, unbeschreiblich groß. Studenten und Arbeiter außer Haus, weit weg von Mamas und Papas Armen um eigene Wege zu gehen; finden in dem Päckchen voller Gerüche, die fernen Genüsse aus der Heimat und für einen kurzen Augenblick wird es einem ganz warm ums Herz. Zubereitete Konserven von liebevollen Frauen, Soßen in sterilisierten Einmachgläsern, sopressate (selbstgemachte Wurst vom Schwein, Bsp. Presskopf) und liebevolle Überraschungen: lauter, tolle Sachen werden rausgeholt und gehen in uns ein, all dies steht nun da und erzählt über uns.

18. LA PALA (Das Windkraftrad)

Die passendsten Ortschaften für eine Windparkanlage sind die offenen und weitläufigen die an das Meer angrenzen, die Regionen aus Süditalien sind daher die idealen des Landes. Ein Wirtschaftsinteresse spielt hierbei eine große Rolle und oft wird aus dieser sauberen Energie für die Herrschaft des Windes, die sich der Unterwelt widmet, eine Schmutzgeldquelle. Jede einzelne Installation hat eine große Auswirkung auf die Umwelt. Die Windkraftanlagen sind eine Gefahr für die großen Segelflugzeuge und eine Barriere für Kräne und Störche, die gezwungen sind, Flugroute zu wechseln, aber davon abgesehen sind diese unbefleckten, mit einem gulliverianischem Beigeschmack, zum Himmel hinaus gestreckten Windmühlen, bereits Teil einer Landschaft, die sie nicht abzulehnen wusste.

19. LA CALABRISELLA (Die Calabrisella/Frau mit Tracht)

Frei inspirierte Figur nach der Gestalt der pacchiana, die die Frau aus Kalabrien, die sich an Festtagen mit dem traditionellen Kostüm schmückt, darstellt. Jedes Dorf hat seine eigene Tracht, von den scharlachroten Tönen arbërëschë (Italo-Albanesische Identität) Herkunft, bis zum azurblauen panno (Wollstoff mit einer sanften Erhabenheit) aus der Südregion, übergehend auf den rigorosen, klösterlichen ritùartu (traditionelle Tracht) aus San Giovanni in Fiore (Cosenza). Die Trachten stammen aus dem 7. Jahrhundert und verkörpern durch ihr säuberlich verarbeitetes Gewebe, aus auserwählten Stoffen und Farben, das Statussymbol. Die zeremonielle Erstankleidung, die auf der Abbildung zu sehen ist, zeigt die pacchiana von Tiriolo (CZ). Die Illustration bezieht sich auf das Ende der Kindheit und das Aufblühen einer neuen calabrisella, die bereit ist, die Liebe zu finden.

20. IL SANTO (Der Heilige)

Frei inspirierte Figur nach Francesco von Paola (1416-1507), heiliger und Wundervollbringer, Schutzpatron von Kalabrien und den Menschen des Meeres. Genannt wie der arme Kerl von Assisi (il poverello di Assisi), da die Eltern ihn um die Gnade ihres Sohnes baten; mit 13 Jahren bekennt er sich zum Einsiedlerleben in seinen geliebten cosentinischen Hochebenen, zieht den nackten Boden als armseliges Bett und die reuige Geistlichkeit vor. Dies bringt ihn dazu, den ordine dei minimi (Die Paulaner) zum Leben zu erwecken, so sehr verarmt um frei zu sein, im Stande die anderen zu befreien und auch für die Bedürfnisse der Ausgestoßenen zu kämpfen, bzw. sie vor Prälaten und Regierende zu verteidigen. Die Abbildung bezieht sich auf das vermutliche Wunder der Meerenge: auf der Reise nach Sizilien, nach dem er die Ablehnung eines Fährmanns bekam, ihn ohne Bezahlung – weil er so arm war – übers Meer zu fahren. Der Erleuchtete, segelte kernhaft am Rande seines Umhangs welches als Floß diente, über das Wasser. Es war im Jahre 1464.

21. IL CAVALIERE (Der Ritter)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach Mattia Preti (1613-1699), Sohn einer ehrenvollen Familie aus Taverna in einem kleinen Dorf aus der Sila (in der Provinz von Catanzaro). Einer der größten Freskenmaler des italienischen Barocks und von Papst Urbano der VIII zum Ordensritter der Malteser nominiert: Cavaliere di Malta. Seine meisterwerkliche Malerei vollbringt er zwischen Rom und Valletta (Malta) durch das originale Verschmelzen der Hell-Dunkel-Malerei nach Caravaggios Tradition, Veroneses Werken und Guercinos zarte Anmut. Aber seine Einzigartigkeit liegt im Dynamismus gemalener Figuren als melodramatische Schauspieler, beabsichtigt zur Selbstdarstellung und Inszenierungen von Verfilmungen. Es wird erzählt, dass der San Sebastiano, auf der Illustration zitiert, zu sehr dem eigentlichen Modell ähnelte, und somit von den auftraggebenden Nonnen abgelehnt wurde; der Cavaliere hat sich nicht aus der Fassung bringen lassen und entschied sich somit, es in der Öffentlichkeit auszustellen, zur Vorführung eines gelungenen Gemäldes, für die jungen Maler.

22. LA REGINA (Die Königin)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach der Liedermacherin Loredana Bertè, geboren 1964 in Bagnara (RC), einst berühmt für die unermüdliche Zähe ihrer Frauen, le bagnarote, (die Frauen aus Bagnara), die durch den Transport von Schwertfisch, Trauben und vieles andere auf ihren Häuptern im Stande waren, die gesamte Last der Gemeinschaft zu tragen. Die Bertè wurde wegen ihres grenzüberschreitenden Wesens und ihrer kratzenden Rockstimme mit dem Namen Regina del Rock (Königin des Rocks) neu getauft. Sie ist eine Schlüsselikone der Freiheit und spielt eine wichtige Rolle in der Emanzipation der italienischen Frau und gibt sich nie damit zufrieden, auf einem avantgardistischem Tron verehrt zu werden. Eine stolze, exzentrische Künstlerin, die nichts und niemanden, den gutgesinnten, Gott und sich selbst nichts erspart hat. Mit begehrenswerten, bewegtem Gefühlsausdruck hat sie die Leidenschaft einer griechischen Tragödie, ihre schlaflosen Nächte und ihre verzweifelte Liebe auf die Bühne gebracht.

23. L’ESTETA (Der Ästhet)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach dem Stilist Gianni Versace (1946-1997), das visionäre Genie, der die Inschrift der internationalen Mode niedergelegt hat. Geboren in Kalabrien nach dem Krieg, wo sogar das Träumen schwierig war, erlernt er in der Schneiderei seiner Mutter in den jungen Jahren, treugemäß seinem Talent, das Handwerk: „Reggio ist das Reich, in dem das Märchen meines Lebens begann, hier begann ich die Kunst der Magna Graecia zu atmen.“ Verliebt und verloren von dem Schönen, brachte Versace die italienische Kunstgeschichte auf den Laufsteg. Das Zusammenspiel der Barockzeit aus dem Mittelmeer, fusioniert mit geometrischen und Blumengedruckten Stoffen, befreit die Mode vom Konformismus; durch Versace wurden die Modelle lebende Skulpturen, ausgestattet von einer neuen Eleganz, denn auch das Übermaß wurde mit seinem geschickten Handwerk zum STIL.

24. IL MENESTRELLO (Der Spielmann)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach dem Liedermacher Rino Gaetano (1950-1981), melancholisches Erscheinungsbild und Draufgänger, der frei raus, immer sagte was er dachte. Mit seinen leichtfertigen, gewagten Texten und einen südländischen Hauch, sang er über den Liebeskummer und denunzierte Gesellschaftsprobleme, heute noch aktuell. Er kritisierte und beeinflusste die Sitten und Gebräuche des schönen Landes (Italien), und bemalte ein Kleinitalien, welches dem politischen Puppentheater und dem Widerspruch ausgesetzt ist. Als er befragt wurde wodurch er sich hat inspirieren lassen, bezeichnete er sich wie einer, der in den Bars sitzt und das Gerede hört, dass umhergeht. Rino war genau dies, in der Kunst und Leben aus Berufung immer übereinstimmen. Ein echter Junge, fasziniert von der Schöpfung, voll und ganz im Stande den Mythos und die Romantik eines Träumers zu verkörpern.

25. IL MAESTRO (Der Meister)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach dem Künstler Mimmo Rotella (1918-2006), Avantgardist des Nouveau Rèalisme und der Pop Art. Er entdeckt die Kraft der Farben durch die realisierten Hüte seiner Mutter, eine ausgezeichnete und geschätzte Modistin (Hutmacherin), in einem kulturell aktivem Catanzaro. Mit seiner unbekümmerten, leichtlebigen und unkonventionelle Künstlernatur (das wilde Leben der Boheme) und seiner Sucht sich mit der Welt zu messen, hat er 1953 durch den Reiz abgerissener Plakate, die Erleuchtung, die er mit „Diebstahl der Realität“ bezeichnet. Rotella entreißt der Straße förmlich, Lederabschnitte und bringt die Dècollage auf die Leinwand. Werke voller Filmkunst und Wirtschaftsaufschwung, in denen die dadaistische Störung und die informelle Kunst, sich zu einer neuen Sprache und Verbundenheit schmelzen. Diese verwandeln den städtischen Alltag mit einer Sehnsuchtslandschaft in ein vergängliches, überwältigendes und wie noch nie pulsierendes Freilichtmuseum.

26. IL CAMPIONE (Der Champion)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach dem Fußballer Rino Gattuso (Corigliano Calabro, CS, 1978), der 2006 in Berlin den Weltpokal in den Himmel hebt. Als junger Mann träumt er davon ein Fischer zu werden: bei Sonnenaufgang geht er ins Meer hinaus, bei Sonnenuntergang entlädt er die Fischkisten, und am Strand baut er sich, um Fußball zu spielen, die Tore mit Rohölkanister auf. Technisch wenig begabt, entwickelt er seinen fußballerischen Stil mit nackten Füssen auf dem Strand von Schiavonea und beweist, dass man mit Eifer überall ankommt. Wegen seinem rauen Wetteifer, den er im Mittelfeld einsetzt und ein Ball nach dem anderen klaut, verdient er sich den Spitznamen Ringhio (Knurrer). Ein Sohn aus Kalabrien, im Stande sich selbst und die Kultur des nicht Delegierens, frei zu kämpfen. Er ist und bleibt der barfüßige Bote des Freiheitskämpfers.

27. LA MAMMA (Die Mama)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach der Mystischen aus Paravati (VV) Fortunata Evolo (1924-2009), Mamma Natuzza, wie sie die Leute rufen. Ein Erdwurm sanftmütig und bescheiden, wie sie sich immer nannte. Sie erkannte früh, ihre Mission den Bedürftigen Trost zu spenden; hingegen, ergriff sie nicht gleich, ihre seltsame, charismatische Natur, die vor den Ostertagen durch Wunden , die Passion Christi auf ihren Körper zeichneten. Ihr wurden vereinzelte Episoden des Hellsehens, sowie verschiedene allgegenwertige diagnostische Erleuchtungen zugestanden. Ihr ganzes Leben hat sie ohne jegliches Interesse, hunderte von Menschen empfangen, und zog sich nur aus gesundheitlichen Gründen zurück. Ein sonderbares, verborgenes Leben, übersäht von Himmelserscheinungen, von denen sie anscheinend selbst nichts wusste und nur ein fügsames Instrument war.

28. LA VOCE (Die Stimme)

Frei inspirierte Persönlichkeit nach dem Liedermacher Mino Reitano (1944-2009), großer Vertreter der italienischen populären Musik mit einer glänzenden Karriere, die ihn überall hinführt, aber nie von seinen edlen Wurzeln, die nur die Armut lehren kann, entfernt. Mutterlos und Sohn eines Eisenbahners, verlässt er mit 14 Jahren Fiumara (RC), um sein Glück in der musikalisch lebhaften Szene Hamburgs zu finden. Hier fängt er ganz unten an, bis hin zu seinem verdienten Aufstieg. Er spielte sogar an der Seite der legendären Beatles. Weltweit bekannt für die Stärke, bzw. Fülle seines Zwerchfellgesangs und für seine stolze, übermäßig temperamentvolle Darbietung, ist Mino die Stimme der Menschen. Der gleichen Menschen, die heute noch, die unendliche, von ihm gesäte Liebe erwidern.

29. L’ASPROMONTE (Der Aspromont/Der raue Berg)

Der unwegsame, raue Bergrücken, mit seinen teilweise bizarren, übereinanderliegenden Felsengebilden ist von engen und steinigen Tälern in der Region Reggio durchzogen. Es erlaubt die Koexistenz verschiedener Schauplätze, durch Höhenunterschiede und verschiedenen Wesen. In dem mysteriösen Bergmassiv und dessen göttliche Anordnung ist etwas uraltes, etwas Liturgisches im weißen Licht, das Herden und Stechginster umgibt. Die Illustration stellt die Legende aus dem 4. Jahrhundert dar, als Papst Silvester, auf der Flucht von der Christenverfolgung, von Kaiser Konstantin gewollt, in einer Grotte des Asprumunti einsiedelt. Der Kaiser erkrankt an Lepra und ruft Papst Konstantin nach Rom, bittet um Gnade, und nach der Erlösung bekehrt er sich. Vor der Abreise in die Hauptstadt verbirgt der Papst unter der Erde ein Metallkreuz, welches viel später, auf einer Rinderweide gefunden wird. Das Heiligtum Madonna di Polsi steht genau auf diesem Punkt.

30. LA SILA (Die Sila)

Die unermessliche Gebirgshochebene, dominiert die Mitte und den Norden der Region und verleiht eine atemberaubende, in weiß wattierte Landschaft. Einst Silva Brutia genannt, ist sie heute in Sila Greca, Sila Grande und Sila Piccola unterteilt und grenzt an den Provinzen Cosenza, Crotone und Catanzaro. Diese verzauberten Ortschaften mit verstreuten Seen, Bäche und märchenhaften Wäldern, beherbergen in den Apenninen eine Tierwelt von seltener Schönheit. Vom silanischen Wolf zum Uhu, bis hin zum pechschwarzen Zaccanella, ein alteingesessenes, lebhaftes Eichhörnchen mit einem weißen Fleck am Hals Auch der Erdboden gibt viel her, er nährt und hütet die wunderbaren Riesen von Fallistro (I Giganti di Fallistro), 400 Jahre alte Exemplare von Lärchenkiefer (Pino Laricio), die, wie erhabene lebende Kolonnen, in den Himmel ragen, die Unendlichkeit suchen, jedoch Geschichte schreiben.  

31. ARCOMAGNO (Der Arcomagno)

Ganz oben an der Küste des Tyrrhenischen Meeres von Cosenza, in der sich abwechselnde, abgelegene Buchten, die sogenannte Riviera dei cedri (Küste der Zitronatzitronen), befinden, ragt der zauberhafte Strand von Arcomagno empor. Die kleine und magische Strandbucht ist von einem felsigen Arm, der ihr die Züge eines natürlichen Hafens verleiht, umschlossen. Sie ruht im Schatten eines Überhangs, der über 100 Meter hoch ist. Nur die erfahrene Hand von Mutter Natur und die Mittäterschaft mühseliger Erosionen durch Wellenschläge konnte dieses Wunder prägen. Wie ein offenes Portal auf dem Reich des Meeres, wird das Auge beim Hinschauen aufgefordert, neue Horizonte zu suchen.

32. LA CITTADELLA (Die Zitadelle)

Die regionale Zitadelle hebt sich über die lehmige Landschaft des Valle del Corace (Tal des Flusses) ab, und sie wird wie eine prachtvolle Sphinx von den Olivenbäumen vergöttert. Nach einem Projekt des Architekten Paolo Portoghesi 2015 eingeweiht. Es ist der administrative Verwaltungsmotor der Region Kalabriens. Hier liegt der Sitz des Gouverneurs, des Ausschusses und es beschäftigt 1800 Angestellte.  Das Gebäude, gut 39 Meter hoch, wird auf einer Grünanlage, würdig eines Palastes, erstellt und mit dem Namen Palazzo degli Itali zu Ehren des einheimischen prähistorischen Volkes, von dem der Name Italia stammt, neu getauft. Ein strategisches Werk mit ungewöhnlichen, mehrbändigen, eleganten Symmetrien, welches die Steuerung des Nervenzentrums der „Res publica“ (öffentliche Sache) darstellt.

33. IL PINO LORICATO (Die Schlangenhautkiefer)

Die Pinus Leucodermis (Schlangenhautkiefer), bzw. Kiefer mit weißer Haut, wächst in Italien ausschließlich in dem Pollino Nationalpark. Das langlebigste Exemplar Europas, im Herzen des Zentralmassiven Gebirge Cosenzas, rühmt gut 1230 Frühlinge, und wurde als Italus, zu Ehren des Königs von Enotria, der hier vor 3000 Jahren lebte und aus dem vermutlich das Wort Italia stammt, neu benannt. Die heftigen Winde und der fortschreitende Verfall der Rinde, dessen Borke an eine römische Militärrüstung erinnert, genannt Iorica, lässt den nackten Baumstamm undefinierbare Formen annehmen, skeletthaft und anthropomorphisch, fast wie bei einem lebenden Fossil. Diese Giganten aus Elfenbein, umklammernd an den spitzen Gesteinen oder in den Hochebenen verstreut, fordern den Frost heraus und trügen die Ewigkeit.

34. LA CIPOLLA (Die Zwiebel)

Die Rote von Tropea (VV), Königin der Lilienarten, prahlt eine tausendjährige Geschichte, stammend aus dem assyrisch-babylonischen Brauch. Sie wird nach dem Krieg durch die Güterbahnstrecke von Tropea in die ganze Welt verfrachtet, daher der Name Königin. Sie wird auf der ganzen tyrrhenischen Küste zwischen Vibo Valentia und Cosenza gepflanzt. Die Süße der roten Zwiebel ist von dem speziellen Mikroklima, ins besonders in der Winterzeit, und dem sandigen Boden abhängig. Sie ist aus verschiedenen konzentrischen Hautschichten, deren Farben Weiß, Rubin und Lila sind, aufgebaut, wie eine göttliche Proletin in 1000 Schleier gehüllt, die einen gesamten ländlichen Arbeitsplatz genährt, unterstützt und beschützt hat. Keiner kennt das Rezept der Liebe, jedoch lässt die Süße, die im Munde verbleibt und die Tränen, die man vergießt, vermuten, dass ganz, ganz viel Liebe drinsteckt.

35. IL PEPERONCINO (Scharfe Paprika)

Kleines Teufelchen närrisch und glühend. Von Christoph Kolumbus Ende des 15. Jahrhunderts importiert, hat sich das Capsicum Annum in der Stiefelspitze gut akklimatisiert, sich dort verbreitet wo man sich keine kostbaren Gewürze leisten konnte und sich in verschiedenen Varianten entwickelt, vom Teufelchen (Diavolicchio) aus Diamante zum Horn (Corno) aus Soverato, die heute noch die Gärten der Kalabresen sprenkeln. Es besitzt nicht nur antibiotische und Konservierungseigenschaften, man erkennt dem Peperoncino (scharfe Paprika) auch durch den hohen Anteil von Capsaicin, welches das Entflammen der befindlichen Wärmerezeptoren auf der Zunge hervorruft, eine anregende Glut der Leidenschaft an, die wie eine sinnlich verführerische Vergiftung, vom Munde ausgeht und überall dort hingeht wo es verlangen mag. Allgemein bekannt, CALABRIANS DO IT PEPPER!

36. U SALATURU (Das Einmachgefäß aus Terrakotta für Salzlake)

Die Völker des Mittelmeeres nutzen das Salz seit Anbeginn der Zeit. ‚U salaturu, die heißgeliebte und älteste Konserve der Kalabresen, ist ein Zylinder aus Terracotta mit einem Holzdeckel verschlossen, auf dem für 30 Tage ein Stein ruht, genannt ‚a mazara. Er übt einen konstanten Druck auf die in Salzlake eingelegte Gemüseverarbeitung aus, welche als Metonymie den gleichen Namen des Behälters trägt, in dem es reift. Runde Peperoni, Oliven mit Kern und wilder Fenchel sind nur einige der Zutaten, dieser weit hergekommenen Köstlichkeiten, dessen Zubereitung heute noch im Stande ist als häusliches Ritual weitentfernte Generationen zu vereinen.

37. ‘A PITTA ‚NCHIUSA (Das Umschlossene Hefefladenbrot)

Das typischste unter dem kalabresischen Süßgebäck stammt aus der silanischen Ortschaft von San Giovanni in Fiore (CS) und wird als Gabe von der Familie des Bräutigams bei einem Hochzeitsfest überreicht, denn seine spiralförmige Aufmachung umschließt altertümliche Symboliken von Wachstum und Entwicklung. Wegen seinem dekorativen Aussehen kommt der Name für die einen vermutlich aus dem Latein picta dipinta (gemalte Malerei), und für die anderen wird es zu pitta (Fladenbrot) assoziiert, griechischer Begriff für runder Hefekuchen. Welche auch immer ihre Herkunft ist, diese liebevolle Vereinigung des Mehls mit getrocknetem Obst und Honig erzählt von der glücklichen Begegnung verschiedener Kulturen, dessen Beeinträchtigung unwiederholbare Epochen geschrieben hat. Erarbeitet in der Vorbereitung und auserlesen für den Gaumen, die pitta ’nchiusa, auch ‚mpigliata genannt, wird heute zur Oster und Weihnachtszeit zubereitet.

38. ‘A ‚NDUJA (Die Nduja)

Die feurige, weiche Wurstware, verbreitet durch den Exodus der Kinder aus Kalabrien, verführt und erobert den gesamten Globus. Aus einfachstem Ursprung, denn einst nur mit Kutteln gemacht. Diese hervorragende Union aus fein gehacktem Schweinefleisch und Peperoncino übernimmt den Namen von der ähnelnden französischen Wurst andouille, die ins Reich Napoleons in Terra Bruzia unter Goacchino Murat, zu dem auch Kalabrien gehörte,importiert wurde und nach lateinischer Ableitung so benannt: „von inductilia, zum Hineinlegen/ Hineinschieben“. Die ’nduja wird hauptsächlich im Gebiet Spilinga (VV) hergestellt, hier steht das imponierende Aquädukt der Murat Epoche, auf der Illustration deutlich dargestellt.

39. IL BERGAMOTTO (Die Bergamotte)

Kalabriens grünes Gold und langlebiges Elixier. Diese berauschende Zitruspflanze, dessen Name aus dem türkischen beg armudi stammt und Birnbaum des Herren heißt, gedeiht nur auf einem Stück Land aus Locri, in der Umgebung von Reggio, zwischen Villa San Giovanni und Siderno. Geprägt von einem außerordentlichen Geruch und der Eigenschaft die anderen Düfte im Laufe der Zeit aufzunehmen, werden ihre geprägten Öle seit Jahrhunderten in der Kosmetik eingesetzt und haben neulich auch große, heilende Wirkung bewiesen. Dereinst wurde die Essenz durch das schwammartige Ausdrücken von den spirituellen Meistern (mastri spiritari) per Hand aus der Frucht gewonnen. Dafür wird heute die sogenannte macchina calabrese (kalabresiche Maschine) genutzt. Diese Gewinnungsmaschine ist das erste industrielle System des kostbaren Saftes. Das Werk gilt als Einfallsreichtum und gewann 1844 auf der Universal Expo, verkündet von dem Herrscher des Königreichs beider Sizilien (Le Due Sicilie).

40. ‘A ‚NDRANGHETA (Die Ndrangheta)

Die graue Zone mit unsicheren Umrissen ist dort, wo das Kommando zwischen Topmanagement und Verhandlungsgrundlagen erzeugt wird, in der Mitglieder verschiedenen Grades und Verantwortung an der Funktion des Machtgetriebes kollaborieren. Zwischen den Maschen dieses Miteinanders, nistet sich oft die ‚ndrangheta ein. Die kollegiale Machtorganisation, gebunden an Drogenhandel, Müllentsorgung, Erpressungen, verfälschten Auftragserteilungen und Glücksspielen, brandmarkt das Verbrechen. Die ‚Ndrangheta wird durch Blutsverwandtschaft zusammengeschweißt, die sogenannten ‚ndrine (die Familien). Durch diese Verankerung ist sie die einzige bestehende Mafia auf allen fünf Kontinenten. Gewalttätig, bei wachem Verstand und immer auf Zack, seit der Zeit der Bourbonen zutiefst im Stande die Bevölkerung zu konditionieren, stiehlt sie den Namen aus dem griechischen andragathia: Virilität, Ehre, Heldentum.

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